Impulssteuerung in Konfliktsituationen! So lernen Führungskräfte, ihre Emotionen zu kontrollieren

Wut, Enttäuschung oder Rachsucht – jeder kennt diese Gefühle, die in Konfliktsituationen plötzlich in uns hochkommen. Wir würden sie gerne wieder hinunterschlucken, doch oft ist der innere Impuls zu groß. Und so explodieren wir – und schreien, werden unsachlich oder reagieren mit Schuldzuweisungen. Als Führungskraft ist dieses Verhalten nicht wirklich förderlich, denn der Chef sollte in erster Linie dazu da sein, Konflikte zu klären – und sie nicht noch begünstigen. Mit ein bisschen Übung kann jeder seine Impulse steuern und in Konfliktsituationen gelassen handeln.    

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum befindet sich unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.“ Mit dieser Aussage brachte der österreichische Neurologe und Psychiater Victor Frankl es auf den Punkt: Wir sind unseren inneren Impulsen nicht ausgeliefert. Unser Gehirn gibt uns die kognitive Freiheit, zu entscheiden, wie wir beispielsweise in Konfliktsituationen reagieren wollen.

Selbstreflexion und Proaktivität – die Schlüssel zur erfolgreichen Impulssteuerung

Die Fähigkeit, über den eigenen Verlauf der Gedanken nachdenken zu können, unterscheidet uns im Wesentlichen von anderen Lebewesen. Selbstreflexion befähigt uns, imaginär beiseitezutreten und die Art und Weise zu hinterfragen, zu analysieren und zu bewerten, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten. Proaktivität ist eine weitere wichtige Fähigkeit, um als Chef Konflikte klären zu können. Management-Vordenker Stephen R. Covey spricht in diesem Zusammenhang von den „vier menschlichen Begabungen“:

  1. Selbstwahrnehmung: die Fähigkeit, Gedanken, Stimmungen und Verhaltensweisen zu überprüfen
  2. Vorstellungskraft: die Fähigkeit, sich über die bloße Erfahrung und die Gegenwart hinaus ein Bild der Zukunft zu machen
  3. Gewissen: die Fähigkeit, den Unterschied zwischen richtig und falsch zu verstehen und persönliche Integrität zu zeigen
  4. Freier Wille: die Fähigkeit, unabhängig von äußeren Einflüssen zu handeln

Wir stellen Ihnen nun einige Methoden vor, mit denen Sie Konfliktsituationen proaktiv gestalten und Ihre Impulse gezielt steuern können.

Drei wirkungsvolle Übungen zur Kontrolle und Steuerung von Emotionen

Übung 1: „Körperempfindungen“

Das kennen wir alle: Wir geraten in eine unangenehme, aufregende oder sogar gefährliche Situation, und sofort reagiert unser Körper. Das Adrenalin schießt in unsere Adern, das Herz schlägt bis zum Hals, wir haben einen Kloß im Magen, ein schwerer Brocken liegt auf unserer Brust, die Beine werden weich. All das sind Zeichen, dass unser Körper die Macht über unsere Gedanken übernimmt. Wir können die Kontrolle nur zurückgewinnen, indem wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf unseren Körper richten und das Bewusstsein für ihn schärfen. Halten Sie dazu inne, und versuchen Sie wahrzunehmen, welche Körperhaltung Sie gerade einnehmen: Wenn Sie auf Ihrem Schreibtischstuhl sitzen, spüren Sie nach, wo Ihr Rücken, Ihr Po und Ihre Beine den Stuhl, wo Ihre Hände die Armlehne und Ihre Füße den Boden berühren. Nehmen Sie einen Moment wahr, wie sich Ihr Körper als Ganzes anfühlt. Nun richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Gefühle und versuchen Sie zu erkennen, wo in Ihrem Körper Sie welches Gefühl wahrnehmen. Beenden Sie die Übung, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit nach einigen Minuten wieder auf Ihren gesamten Körper und seine Berührungen mit dem Schreibtischstuhl und dem Boden lenken.

Mehr zum Thema:
Sicherheit am Arbeitsplatz

Übung 2: „Die positive Intention“

Eine ebenfalls sehr effektive Methode, mit schwierigen Gefühlen umzugehen, ist, aufzuschreiben, welche positiven Intentionen hinter Ihren negativen Gefühlen stecken. So kann beispielsweise hinter Ihrem Ärger über das ständige Zuspätkommen Ihres Mitarbeiters das Bedürfnis nach Verlässlichkeit, Hilfsbereitschaft, Eigeninitiative etc. stehen. Durch das Ergründen Ihrer Gefühle lernen Sie, besser mit ihnen umzugehen. Die Vorgehensweise, sich auf positive Intentionen zu fokussieren, funktioniert übrigens nicht nur „mit sich allein“, sondern auch in der Kommunikation mit Ihrem Gegenüber. Menschen sind auf positive Intentionen viel leichter ansprechbar als auf „Angriffe“. Sagen Sie Ihrem Gegenüber daher lieber, was Sie wollen, und nicht, was Sie nicht wollen: „Verlässlichkeit und Eigeninitiative sind wichtige Werte für mich, daher würde ich mir wünschen, dass Sie zukünftig pünktlich zu unseren Meetings erscheinen.“ Damit geben Sie dem anderen die Möglichkeit, Sie zu verstehen, statt sich von Ihnen angegriffen zu fühlen.

Übung 3: „Die Pausentaste“

Wahrnehmung ist die entscheidende Fähigkeit, um gezielt mit Gefühlen umgehen zu können. Denn erst wenn wir etwas bewusst wahrnehmen, können wir es auch bewusst steuern. Halten Sie daher mehrmals am Tag inne und hören Sie konzentriert in sich hinein: Was fühle ich gerade? Betrachten Sie das Gefühl, ohne zu beurteilen, ob es gut oder schlecht ist. Und nun benennen Sie es durch eine konkrete Formulierung, wie zum Beispiel „Ich bin nervös“, „Ich fühle mich müde“ oder „Ich bin wie gelähmt“. Das ist vor allem in Situationen wichtig und interessant, in denen Sie besonders angespannt sind oder sich von Ihren Gefühlen überrollt fühlen: fünf Minuten vor dem Konfliktgespräch mit Ihrem Mitarbeiter oder nachdem Sie die Mail mit den neuen Zielvorgaben des kommenden Quartals gelesen haben. Durch das Benennen der Gefühle verlieren sie häufig ihren Schrecken bzw. werden greif- und somit besser kontrollierbar.

Fazit: „Das Leben ist ein Buch, das Sie schreiben. Sie bestimmen den Ablauf und das Tempo, und Sie ganz allein blättern die Seiten um.“ Dieses Zitat von Beth Mende Conny bringt es auf den Punkt: Sie sind in der Lage, den inneren Autopiloten zu stoppen und Ihre Handlungen kognitiv zu steuern. Es braucht nur ein bisschen Übung!

 

Buchtipp:

BARBARA KRAMER / FRAUKE ION
Konflikte klären ist Chefsache
Die vier Konfliktklärungskompetenzen erfolgreicher Führungskräfte

168 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-86936-879-5
€ 24,90 (D) | € 25,60 (A)
GABAL Verlag, Offenbach 2018