Ist Ihr Kundenmanagement beziehungs- oder prozessorientiert?

Einer Studie von Bain & Company zufolge meinen 80 Prozent aller Unternehmen, ein herausragendes Kundenerlebnis zu bieten, aber nur 8 Prozent ihrer Kunden stimmen dem zu. Wie es dazu kommt? Die meisten Unternehmen agieren zu prozessfokussiert, anstatt sich an Kundenbelangen zu orientieren – und zwar an jedem einzelnen Touchpoint.

Touchpoints entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern beziehungsweise seinen Produkten, Dienstleistungen und Marken in Berührung kommt, sei es vor, während oder nach einer Transaktion. Touchpoints sind also immer dort, wo die Kunden einem begegnen: im Zickzack zwischen realer und virtueller Welt, „social“ und „mobile“ vernetzt. Und in den „Momenten der Wahrheit“ (Jan Carlzon) zeigt sich dann, was die Versprechen eines Anbieters tatsächlich taugen.

Doch leider sollen sich die Kunden zumeist in die vom Unternehmen vorgedachten Abläufe fügen. Zum Beispiel versuchen viele Kunden ihre Fragen oder Beschwerden an einen Anbieter auf dessen Facebook-Seite loszuwerden. Und was kommt als Antwort? „Hier ist nicht der Ort, an dem wir Ihr Anliegen bearbeiten können. Bitte gehen Sie auf unsere Website und füllen Sie dort das entsprechende Serviceformular vollständig aus.“

Aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet

Im Unterschied zur Innensicht, bei der das Abarbeiten vordefinierter Prozessabläufe im Vordergrund steht, geht es im Touchpoint-Management um die subjektiven Erlebnisse, die ein Kunde an den einzelnen Interaktionspunkten tatsächlich haben möchte und hat. Dabei muss man den Blickwinkel der anderen Seite auch tatsächlich einnehmen können. Wie man das macht? Die Kunden beobachten oder Kunden entsprechend befragen.

Und im Gegensatz zu selbstfokussierten Servicelevels, die nicht selten aus falsch interpretierten Kundenbedürfnissen entstehen, denkt man im Touchpoint-Management so: „Wie wünscht sich der Kunde unsere Prozesse?“ Und so: „Wie können wir sicherstellen, dass seine Erfahrungen mit uns an allen Touchpoints positiv sind?“ Und so: Wie können wir die Lebensqualität unserer Kunden dabei verbessern?“ Solche Bemühungen wird der Kunde gern mit Wiederkommen und Weitersagen belohnen.

Können und Wollen? Es hakt beim Dürfen

Damit die Beschäftigten in herausragender Weise agieren, braucht es drei Komponenten: das Können, das Wollen und das Dürfen. Oft genug ist dabei nicht das Können oder das Wollen, sondern das Dürfen der Knackpunkt. Denn eingezwängt in ein Korsett aus Regeln, Standards und Normen ist es den Mitarbeitern einfach nicht möglich, Probleme unkompliziert, schnell und kundenfreundlich zu lösen, selbst wenn sie es wollten.

Noch schlimmer als ein lustloser ist aus Kundensicht aber ein machtloser Mitarbeiter. Die Spielfelder, in denen Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln dürfen, müssen demnach vergrößert werden. Dazu ist ein beziehungsorientierter Ansatz elementar. Echte zwischenmenschliche Interaktionen –und nicht prozessorientiert abzuwickelnde Transaktionen – sind hierbei gefragt.

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Kunden- statt prozessorientiert: ein Beispiel

Wie gut es sich anfühlt, wenn jemand menschenorientiert handelt, habe ich erst kürzlich bei American Express erfahren. Mir war meine Handtasche gestohlen worden. Eine Katastrophe, denn eine Frau trägt darin ihr halbes Leben mit sich herum. Handy, Papiere, Schlüssel, Geld, alles war weg. Unter anderem musste ich meine Kreditkarte sperren lassen.

„Weil Ihnen so was furchtbar Unangenehmes passiert ist, schreibe ich Ihnen jetzt erst mal 10.000 Punkte gut“, waren die tröstlichen Worte des jungen Mannes am Telefon, nachdem ich ihm die Sache geschildert hatte. Ja, so geht beziehungsorientiert statt prozessorientiert. Labsal für die geschundene Seele. Und: Der Antrag für eine andere Kreditkarte liegt noch immer unabgeschickt zu Hause herum.

Bitte Kundensprache und nicht Fachchinesisch

Im Touchpoint-Management ist alles auf den Kunden zentriert. Zudem wird in Kundensprache und nicht Fachchinesisch gesprochen. Banal? Dann durchforsten Sie mal sogleich Ihre komplette Kundenkommunikation und radieren Sie alle internen oder branchenüblichen Fachbegriffe bedingungslos aus.

Vor allem Handwerker möchte ich bitten, diesbezüglich mal ihre Angebote auf den Prüfstand zu stellen. Derzeit will bei mir einer einen Kurzbeschlag mit Kernschutz KKZS 700 F1 EK für WT und einen weiteren mit Kernschutz KKZS 700 F3 EK anbringen. Alles klar? Ich verstehe nur Bahnhof. Und Bahnhof kaufe ich nicht.

Optimierungsbedarf gibt es an allen Ecken und Enden. Gerade war ich bei meiner Bank. Beste Multi-Kanal-Bank laut Focus Money, erzählt mir das Display des Auszugsdruckers, bevor ich meine Aktivitäten starten kann. Marketingprofis verstehen so was, okay. Aber Max Mustermann und Lieschen Müller?

Ich habe kurz ein paar Leute befragt, die gerade kamen und gingen. Kein Mensch hatte auch nur den blassesten Schimmer, worum es da ging. Doch was Kunden nicht verstehen, ist für sie nicht relevant. Im Zweifel ist Fachjargon sogar gefährlich, weil Missverständnisse, Fehleinschätzungen und falsche Erwartungen auftreten können.

Das Buch zum Thema

 Buch: Touch.Point.Sieg Anne M. Schüller: Touch.Point.Sieg.
Kommunikation in Zeiten der digitalen TransformationGabal Verlag 2016, 380 Seiten, gebunden, 29,90 EuroISBN: 978-3-86936-694-4Zur Bestellung:
http://www.touchpoint-management.de/bestellung-touchpointsieg.html


Die Autorin
Anne M. SchüllerAnne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der deutschen, schweizerischen und österreichischen Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus. Weitere Informationen: www.anneschueller.de und www.touchpoint-management.de

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Die Ausbildung zum Agile Coach: mehr als ein klassischer Unternehmensberater

Weiterbildung Kundenmanagement: Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager vom 2. bis 4. Dezember 2016 in München

Über die Zukunft eines Unternehmens entscheidet, was an den Touchpoints in den „Momenten der Wahrheit“ zwischen Anbieter und Kunde tatsächlich passiert. Deshalb müssen sich alle Unternehmensbereiche auf das Kundenwohl fokussieren. Dafür braucht es nicht nur ein Customer Touchpoint Management sondern auch einen Customer Touchpoint Manager. Seine Kernaufgabe ist es, eine hundertprozentige Kundenorientierung zu ermöglichen und abteilungsübergreifend ein durchgängig positives, begeisterndes, verlässliches Kundenerlebnis sicherzustellen.

Die dreitägige Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager richtet sich vor allem an ambitionierte Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing und Kundenservice, die im Kontext unserer neuen Businesswelt und mithilfe dieser Zusatzqualifikation die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Arbeitgeber sichern wollen. Sie findet vom 2. bis 4. Dezember 2016 in München statt. Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung geht’s hier: http://www.touchpoint-management.de/ausbildung-zum-customer-touchpoint-manager.html