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Es ist jetzt ziemlich genau eineinhalb Jahre her, dass ich zum ersten Mal den Telefon-Hörer in die Hand genommen und Kaltakquise betrieben habe. Seit diesem Tag ist viel passiert und ich glaube, dass ich in der ganzen Zeit die komplette Achterbahnfahrt des Verkäufer-Daseins bestimmt mehrmals durchgemacht habe.
Da ich von Natur aus sehr nachdenklich bin und viel reflektiere, finde ich den Ansatz der Fragestellung „Welchen Ratschlag hättest Du gerne zu Beginn Deiner Vertriebs-Karriere in der Kundenakquise bekommen?“, sehr spannend. Für meine Antwort muss ich aber etwas zu mir und meinen persönlichen Umständen von damals vorwegnehmen, damit man die Antwort im gesamten Kontext verstehen kann.
Eine Liebe für Print-Publikationen
Ich lese sehr viele Inhalte online. Dennoch bin ich wohl einer der wenigen aus meiner Generation (1989 geboren), die eine große Leidenschaft für Print-Publikationen haben. Obwohl selber kein großer Roman-Leser, fand ich das gedruckte Wort in Form von Zeitungen und Zeitschriften schon immer faszinierend.
Das äußerte sich dann in einem typischen Werdegang: Während der Schulzeit erste Praktika bei der regionalen Tageszeitung als Journalist (für die ich übrigens immer noch ein paar Mal Gast-Artikel schreibe), Mitbegründer einer Schülerzeitung und schließlich meine erste eigene Publikation DNP (Denny Neidhardt Publikation), welche den Anspruch hatte ein politisches und meinungsbildendes Spektrum abseits des Mainstream anzubieten.
100 gedruckte Exemplare pro Ausgabe und 20 Monate Hingabe für mein Magazin, welches ich während der Studienzeit betrieben habe, verdeutlichen meine starken Überzeugungen für Print. Wen es interessiert, der Blog aus der damaligen Zeit ist immer noch online, wie auch der DNP-Imagefilm.
Was hat das alles mit dem Beginn meiner Vertriebs-Karriere und mit Kundenakquise zu tun?
Nachdem ich mein Studium beendet hatte, bin ich für 8 Monate nach Italien gegangen, um neue Erfahrungen zu sammeln und um über meine berufliche Zukunft nachzudenken. Obwohl ich nicht mehr als Journalist tätig sein wollte, war ich trotzdem überzeugt weiterhin im Print-Bereich zu arbeiten.
Aufgrund der umkämpften Marktsituation in Deutschland, gepaart mit meinem Wunsch nochmal ins Ausland zu gehen, versuchte ich in England als Deutscher eine Nischenposition im Verlagswesen zu bekommen, was kurze Zeit später auch gelang. Anfang 2014 war ich dann beim englischen Verlagshaus Lyonsdown Ltd. angestellt.
Der Beginn meiner Vertriebs-Karriere in England
Der Verlag Lyonsdown veröffentlicht in England etwas mehr als 50 spezielle Management-Reports, die in der bundesweiten Presse beigelegt sind. Es ist damit das größte Presseorgan dieser Art in England. Das gleiche Konzept gab es seit drei Jahren auch in Deutschland, wo die Reports im Handelsblatt und in der WirtschaftsWoche enthalten waren. Für mich also ein spannendes Umfeld und so etwas wie das nächste Level meiner „Print-Karriere“.
Nur bei dem auszuführenden Job herrschte zu Beginn Uneinigkeit. Ich wollte mich gerne um die Vermarktung der Hefte kümmern und meine aufgebauten Online-Marketing Fertigkeiten anwenden. Doch die Hefte, die im Wesentlichen mit den Projekt Managern stehen und fallen, sorgten dafür, dass für mich keine andere Wahl blieb, als mich mit dem Vertrieb und der Akquise von Geschäftskunden zu beschäftigen. Ich musste also Kunden akquirieren.
Natürlich habe ich auch für mein eigenes Magazin viel Direktvertrieb gemacht, doch diese Art von (Kalt-)Akquise schien mir doch eine andere Hausnummer zu sein. Ich sollte Recht behalten.
Zu diesem Zeitpunkt war ich wohl wie kaum jemand anderes so überzeugt davon, dass Unternehmen in Print investieren sollten. Ich hatte die tausendfache Identifikation mit dem Produkt.
Dazu schätze ich mich als redegewandt und rhetorisch geschickt ein, kann andere gut überzeugen und ich lasse nicht so leicht locker. Ein perfekter Verkäufer, oder? Mein innerer Antrieb, neben meinen Überzeugungen für Print, kommt auch daher, dass ich ohne Ende ehrgeizig bin und Niederlagen bis zum Tod nicht ausstehen kann. Ich hatte immer bekommen was ich wollte und so stellte ich es mir auch dieses Mal vor.
Was nun zu Beginn meiner Vertriebs-Laufbahn passierte, sollte spätestens jetzt jedem Leser klar sein. Es hagelte Ablehnung, Absagen und viel Enttäuschung.
Ich war naiv, ich war ein Greenhorn.
Ich habe gedacht, dass nur weil ich zu glauben wusste was das Beste für den Kunden sei, würde dieser auch von mir kaufen wollen, vorausgesetzt ich würde es nur angemessen kommunizieren. Die Kunden würden mich verstehen, den Nutzen und Mehrwert darin sehen in Print zu investieren und meine Begeisterung dafür teilen.
Doch erst mit meiner anhaltenden und andauernden Krise ist mir bewusst geworden, wie schlimm es wirklich um die Zukunft von Print stand. Oder lag es gar nicht am Medium? Belog ich mich selbst? War viel mehr ich als Verkäufer das Problem? Aufgrund meiner eigenen Leistung war ich ratlos und deprimiert.
Ich erreichte gegen Mitte meines zweiten Projekts den Punkt, an dem mir das alles ziemlich egal war und ich hinwerfen wollte. Die Tatsache, dass ich nicht mit der Ablehnung und den Niederschlägen zurechtgekommen bin, brach mir fast das Genick.
Es ging so weit, dass sich mein Misserfolg auch auf mein Privat-Leben übertrug. Ich war schlecht gelaunt und unglücklich, sodass auch meine sozialen Kontakte darunter leiden mussten. Auch ich persönlich war mir selber schon lange keine Hilfe mehr. Ich konnte mich nicht mehr aus meinem Zustand befreien.
Damals stand ich kurz vor der Aufgabe. Ich war innerlich bereit zu akzeptieren, dass ich vielleicht doch nicht für den Vertrieb geschaffen sei. Zu sensibel ging ich mit den Misserfolgen um. Ich hatte den Entschluss gefasst, dass ich versuchen würde das Projekt noch fertigzustellen, mir danach aber einen anderen Job zu suchen.
Kundenakquise ohne Druck
Der Druck viel sofort von meinen Schultern ab. Der ganze Ballast des Wettstreits mit den anderen Verkäufern, die eigene Unzufriedenheit über meine Leistung. Plötzlich war ich wie befreit.
Rückblickend habe ich den Eindruck, dass hier der erste und vielleicht größte Wendepunkt meiner Vertriebs-Karriere stattfand. Komischerweise habe ich, als ich nichts mehr zu verlieren hatte, nicht nur befreiter gewirkt, sondern auch noch doppelt so hart gearbeitet.
Für mein Ego und für meinen Stolz wollte ich mir nicht nachsagen lassen, dass ich nicht alles Mögliche versucht hätte. Ich wollte dieses Projekt unbedingt auf einem hohen Level beenden, um mich mit Anstand und Würde zu verabschieden. Noch lange nach Feierabend suchte ich nach neuen Leads, suchte neue Winkel und Ansatzpunkte für das Projekt, vereinbarte Termine und legte mir ein Xing-Premium Account an, um effektiver Entscheidungsträger anzuschreiben.
Befreit durch die Last nicht verkaufen zu müssen, gestalteten sich nicht nur die Gespräche anders, auch mein Page-Rate stieg durch die Decke und die Abschlüsse wurden qualitativ besser. Nun lieferte ich wöchentlich mindestens einen Abschluss von überdurchschnittlicher Größe ab. Am Ende des Jahres war dieser Report übrigens der finanziell erfolgreichste für den deutschen Markt. Was für eine Genugtuung.
Es gibt so viele Fehler, die ich zu Beginn meiner Vertriebs-Zeit gemacht habe, dass ich darüber noch fünf weitere Texte dieser Art schreiben könnte. Doch wenn ich anderen Unternehmern und Einsteigern im Vertrieb nur eine Sache mitgeben könnte, dann, dass Ihr euch bevor Ihr mit der Akquise anfangt, eine realistische (Erfolgs-)Erwartungshaltung haben und Misserfolge und Ablehnung im Verkauf nicht persönlich nehmen solltet. Das ist umso wichtiger, je größer euer Ego und die eigenen Überzeugungen vom Produkt und oder der Dienstleistung sind.
Die Lehren in der Kundenakquise
Ich habe gemerkt, dass im Hamsterrad Sales oft die Verkäufer am erfolgreichsten sind, die hart arbeiten, den Abschlusserfolg aber am wenigsten benötigen. Die sich am meisten im Gespräch zurücknehmen können und sich selber keinen unnötigen Stress machen. Die beim Telefonieren immer ein Lächeln auf den Lippen haben und die Ablehnung und Misserfolg nicht persönlich nehmen.
Kein Unternehmen dieser Welt kann 100 % Marktanteil besitzen. Alles was lukrativ ist und sich finanziell lohnt, bringt immer auch mehrere Wettbewerber mit sich. Wenn es also die größten und bekanntesten Marken dieser Welt nicht schaffen einen ganzen Markt für sich alleine zu kontrollieren, wie soll ein mittelständisches Unternehmen oder ein Start-Up jeden Kunden dieser Welt gewinnen?
Es geht einfach nicht. Deshalb: Steckt euch hohe Ziele, habt aber realistische Erwartungen bei euren Akquise-Erfolgen.
Lese-Tipp: So kommst Du raus aus dem Hamsterrad und machst dich nebenberuflich selbstständig.
Ein letzter Nachsatz: Ich sehe und höre täglich viele Verkäufer, die ähnlich vorgehen und aus dieser Herangehensweise eine Methode machen. Das heißt konkret, sich vermeintlich nicht für den Abschluss zu interessieren, um ja nicht bedürftig zu wirken und so hinterher die Ablehnung besser verarbeiten zu können. Das ist in meinen Augen falsch.
Ich habe mir trotz der Erkenntnis, dass man nicht jeden Kunden gewinnen kann, immer noch den Ehrgeiz und meinen Anspruch bewahrt, meine Begeisterung für das Produkt offen zu zeigen und jeden Kunden mit dieser Überzeugung versuchen anzustecken, anstatt so zu reden als würde es mich nicht kümmern. Als wollte ich den Abschluss überhaupt nicht, nur um hinterher mein Gesicht zu wahren.
Deshalb tut die Ablehnung immer noch genauso weh wie beim aller ersten Mal und jedes weitere Nein, selbst nach dem tausendsten, ist schwer zu ertragen. Das geht nach einer Weile an die Substanz. Nur habe ich heute gelernt anders damit umzugehen. Verkaufen hat deshalb auf lange Sicht viel mit der Einstellung zu tun, im Zweifel mehr als mit den eigentlichen Verkaufsstrategien.
Ich hoffe, dieser Beitrag kann dir dabei helfen den richtigen Weg in den Verkauf zu finden. Falls Du diesen bereits gefunden hast, freue ich mich über Kommentare dazu, wie es bei dir angefangen hat. Welche Erfahrungen hast Du mit der Kundenakquise im B2B Markt gemacht?
Über den Gastautor: Denny Neidhardt, geboren 1989 in Berlin, arbeitet seit Anfang 2014 im Vertrieb. Momentan ist er in London als Head of Video Germany für das englische Verlagshaus Lyonsdown Ltd. tätig. Auf seinem Blog salespitch.de analysiert er Strukturen und Prozesse für eine erfolgreiche (Geschäfts-)Kundenakquise. Neben wöchentlich neuen Inhalten publiziert er auch jeden ersten und dritten Dienstag des Monats die Podcast Show Tuesdays with Bradley mit CEO und Verlagshausinhaber Bradley Scheffer.