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Das klassische Changemanagement hat ausgedient. Disruption, Digitalisierung und Globalisierung haben einen unwiderstehlichen Siegeszug angetreten und verändern die Welt täglich extrem. Das alte Spiel von Changeprozess, Ausschlachten des Erfolgs und wieder Change einige Monate oder sogar Jahre später ist zur Gefahr für Unternehmen geworden.
Je länger ein Unternehmen unter neuen Vorzeichen wartet, nötige Veränderungen anzuschieben, desto mehr riskiert es, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. In Zeiten, die jeden Tag neue Herausforderungen stellen, müssen Organisationen und ihre Menschen ebenso jeden Tag bereit sein, sich nicht nur anzupassen, sondern den Wandel aktiv zu gestalten.
Viele Unternehmen loben ihre Fähigkeit, selbst schmerzhafte Changeprozesse mit oder gegen ihre Belegschaft durchziehen zu können. Ihr Credo lautet: „Veränderungen, die einen Sprung nach vorn bedeuten, müssen weh tun. Wir entscheiden, was nötig ist und pauken es durch!“ Andere Unternehmen quälen sich eher: „Unser Change funktioniert einfach nie, wie er soll. Wir sind zu langsam und müssen stets froh sein, zumindest einen Teil unsere Ziele umzusetzen.“
Typische Schwierigkeiten
So unterschiedlich diese Beurteilungen sind, so sehr drücken sie das Gleiche aus: Change ist anstrengend und fällt umso schwerer, je länger man auf einem erfolgreichen, aber mittlerweile ausgetretenen Pfad gewandelt ist. Liebgewonnene Routinen haben sich eingeschliffen, die Mitarbeiter haben Komfortzonen bezogen und ein Sicherheitsdenken hat Einzug gehalten, das sich ans Bewährte klammert – ganz egal, was die Stunde geschlagen hat.
Je länger das Management am Alten klebt, desto abrupter, stärker und tiefer geht der Ruck durchs Unternehmen und desto schwieriger wird es, seine Angehörigen rational und emotional für die Veränderung zu gewinnen. Um künftig Menschen für die Bereitschaft zum permanenten Wandel zu gewinnen, sollte man zuerst verstehen, woran schon heute viele Veränderungen scheitern.
Die ausbremsenden Muster sind fast überall identisch:
- Gelerntes Scheitern: Durch jede zähe oder misslingende Veränderung werden ungeeignete Mechanismen in der Organisation verankert, und emotional stellen sich hemmende Zweifel, Pessimismus und Vertrauensverlust ein.
- Bremsende Legacy: Ehemals erfolgreiche Produkte werden jenseits ihres Zenits noch mit aller Kraft geschützt und das Neue als Feind des Bewährten bekämpft.
- Arrogante Fehleinschätzungen: Fehleinschätzungen durch das Top-Management lösen falsche Entscheidungen aus. Zugleich unterdrückt der Brustton der Überzeugung, mit dem sie kommuniziert werden, jeden konstruktiven Widerspruch.
- Vermiedene Entscheidungen: Innovationen und die nötigen Veränderungen brauchen schnelle und klare Entscheidungen. Stattdessen führen umständliche Prozesse, getrieben von Risiko-Aversion und Angst zu Stillstand und Verwässern.
- Zugelassenes Aussitzen: Zuschauen und Aussitzen sind gängige Prinzipien in Unternehmen. Werden sie toleriert, sterben nötige Veränderungen den Tod der Halbherzigkeit.
- Gewollte Gleichgültigkeit: Werden zu viele Veränderungen gleichzeitig gestartet, kannibalisieren sie sich, bis es fast gleichgültig ist, welche gelingen und welche nicht.
Viele Unternehmer und Manager führen fälschlich strategische Hemmnisse oder äußere Umstände ins Feld, wenn sie ihr Festhalten an überholten Produkten und Prozessen erklären, obwohl sich die Märkte rasant ändern. Die wahren Ursachen liegen in der Haltung der Chefs und einer Kultur, die den Wandel scheut: Wegsehen, aussitzen und sich trügerischer Sicherheit ausliefern, sind typische Phänomene.
Emotionen sind entscheidend
Die Ablehnung der Veränderung in den Menschen hat emotionale Gründe. Das Gehirn ist auf sparsame Routinen programmiert, die schwer zu überwinden sind. Menschen mit lebhafter Vergangenheit tun sich leichter mit dem Neuen als solche, die weniger erlebt haben. Tägliche Wandelbereitschaft ist auch Übungssache und braucht zu Anfang den unbedingten Willen, in der Veränderung ebenso exzellent zu werden, wie in anderen Bereichen der Organisation
Um zu verstehen, wie sehr die Handlungsimpulse von Menschen von Emotionen abhängen, genügt ein Blick auf Menschen, die durch mehr Sport endlich abzunehmen wollen. Der Kopf ist klar, doch es passiert nichts, solange das Herz nicht dabei ist. Wie Mitarbeiter emotional beim Wandel mitgenommen werden, legt fest ob er gelingt – unabhängig davon, wie logisch die Gründe sind. Die meisten Unternehmen sind jedoch stark in der Ratio, aber schwach auf der Emotionsseite.
Wie die Grafik zeigt, bewegen sich solche Unternehmen in den beiden linken Quadranten, bestenfalls bei „Disziplin“, oft sogar bei „Starre“. Disziplin heißt, Dinge halbherzig, ohne besonderen Ansporn und Begeisterung zu tun. Für echten Schub müssen jedoch sowohl emotionale als auch rationale Zustimmung hochgradig da sein.
Wohlbefinden, Stimmigkeit und Sinnerfüllung
Kein Wunder also, dass die meisten Veränderungs-Vorhaben an den Emotionen der Menschen scheitern – zumal deren verschiedene Lebenserfahrungen höchst unterschiedliche Gefühlsreaktionen auslösen. Statt exklusiv auf glasharte Logik zu setzen, müssen Unternehmen positiv-antreibende Gefühle in der Veränderung bewusst verstärken und blockierende Regungen entschärfen.
In der Medizin beschriebt die Salutogenese die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit im Sinne eines Zustands des Wohlbefindens, der Freude, Stimmigkeit und Sinnerfüllung. Dieser Zustand wird Kohärenzgefühl genannt und setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit. Auf diese Erkenntnisse sollte aufgesetzt werden.
Sinnvoll, verstehbar und handhabbar sind Ziele dann, wenn Führungskräfte den Mitarbeitern vermitteln können, was sich konkret für sie verändert, wie die Umsetzung vor sich geht, wie das den Weg zum Ziel ebnet und was es dem Unternehmen bringt. Wird das Steuerrad so Richtung emotionaler Akzeptanz gedreht, steigen die Erfolgschancen spürbar.
Veränderungskultur ist Erfolgskultur
Der Wandel muss zu einer virtuos beherrschten Standardfähigkeit werden – ähnlich dem Aufbau einer neuen Produktionslinie oder dem Launch eines innovativen Produkts. Dafür müssen neugierig und gelassen zugleich nach Chancen und Bedrohungen Ausschau halten, um das Positive beim Schopf zu packen und Gefahren abzuwehren. Ohne eine außergewöhnliche Veränderungsfähigkeit in der Unternehmenskultur zu verankern, kann dies nicht gelingen. Exzellente Veränderer sind Unternehmen künftig nur dann, wenn der Wandel zur stetigen strategischen Qualität mit vorausschauendem Agieren und, wo nötig, kurzer Reaktionszeit wird.
In der Praxis bedeutet Veränderungsexzellenz:
- durch wiederholte Erfolge in Transformationsprogrammen Mitarbeiter und Führungskräfte davon zu überzeugen, dass Veränderungen richtig angepackt zielstrebig umsetzbar sind.
- rechtzeitig loszulegen, um die Freiheit zu bewahren, selbstbestimmt, transparent und geordnet agieren zu können.
- Transformationen auf ein handbares Maß mit klarem Nutzen zu begrenzen, um diese mit hoher Aufmerksamkeit und ausreichenden Ressourcen zum Erfolg zu führen.
Nur Unternehmen, die den Sprung vom tradierten Changemanagement zur Veränderungsexzellenz schaffen, werden in Zukunft durch Attraktivität Erfolge feiern: mit den besten Kunden, den zuverlässigsten Partnern und den stärksten Mitarbeitern, die jeden Tag bereit sind, neue Wege für den Erfolg zu gehen.
Buchinformation
Noch nie war Wandlungsfähigkeit für das Überleben von Unternehmen so wichtig wie heute. Durch Digitalisierung, Globalisierung und demographische Entwicklung verändern sich die Geschäftsmodelle vieler Branchen radikal. An 12 Fallstudien von Bosch, edding, IBM, KUKA, XING und anderen demonstriert Veränderungsexzellenz, wie es Marktführen heute gelingt, mit sich rapide verändernden Märkten Schritt zu halten und hohe Veränderungsexzellenz zu erreichen.