Marken sind aus einem einzigen Grund für Unternehmen wichtig: Je stärker die eigene Marke, umso stärker die Wertschöpfung des Unternehmens. Je komplexer und ausdifferenzierter die Märkte sich entwickeln, umso entscheidender ist es, mittels einer starken Marke eine orientierende Funktion im jeweiligen Markt zu besitzen bzw. zu besetzen und im Idealfall tief verankert zu haben. Marken ordnen nationale wie internationale Warenmärkte und sind mit ihrer Wertschöpfungskraft das Rückgrat der Wirtschaft – im Kleinen wie im Großen. Schon Ludwig Erhard erkannte: „Nichts ist für eine Volkswirtschaft ärgerlicher als ein missratener Markenartikel.“ Kurzum: Die starke Marke ist der entscheidende Wettbewerbsvorteil hinter jeder langfristig denkenden Unternehmung.
Aber was genau ist eigentlich eine starke Marke? Bereits über diesen Punkt gibt es große Uneinigkeit unter Praktikern wie Theoretikern – hängt die Stärke einer Marke mit ihrer Bekanntheit zusammen? Oder mit dem betriebswirtschaftlichen Gewinn oder irgendeiner Bewertung (irgend-) einer Rating-Agentur? Manche „Experten“ reden über „emotionale Aufladung“ oder davon, dass die neudeutsch „Awareness“ wahnsinnig wichtig sei, manche meinen, dass die Marke zur „Love Brand“ werden muss. Regelmäßig treten seit den 1990er Jahren neue Ansätze und Schlagwörter auf, mal führt an Influencern kein Weg vorbei, mal ist es der „Golden Circle“ oder das „Storytelling“…
Unsere dringende Bitte: Vergessen Sie solche gutgemeinten Ratschläge oder Ansätze. Die einzige Emotion, die in Bezug auf eine Marke existentiell wichtig ist, nennt sich Vertrauen. Eine uralte Emotion, die aber nichts an Aktualität eingebüßt hat und auch im Zeitalter der Digitalisierung die härteste Währung bleibt. Der einzig valide Parameter, um eine Marke zu bewerten, ist das Vertrauen, welches sie sich in ihrer Kundschaft erarbeitet hat. Vollkommen unabhängig, ob wir vom Fischhändler an der Ecke, vom regionalen Fliesenleger oder vom Globalkonzern sprechen. Egal ob das Unternehmen seine Leistung B-to-B oder B-to-C verkauft. Am Point of Sale entscheidet das Vertrauen. Wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg bemisst sich am Vor-Vertrauen im Markt – oder wie der Markensoziologe es benennt: am positiven Vorurteil, welches ein Unternehmen über seine Leistung aufgebaut hat. Audi, BMW, Mercedes: Wirtschaft bedeutet Kampf um das stärkste positive Vorurteil. Denn Vorurteile sind der Beton, auf dem Marken stehen. Sie dürfen daher nie ins Wanken geraten. Apropos Autos: Wenn die Marke VW einen Dieselbetrugsskandal überlebt, dann hat sie dies allein dem über Jahrzehnte mühevoll erarbeiteten positiven Vorurteil über ihre Produkte zu verdanken – wäre so etwas einer jungen Automarke passiert, wäre diese nicht überlebensfähig gewesen.
Jede Handlung als vertrauensbildende Maßnahme verstehen
Die allesentscheidende Frage, die sich Verantwortliche bei jeder strategischen wie tagesgeschäftlichen Überlegung zur Marke stellen müssen lautet: Ist das Vorhaben geeignet, das Vertrauen in unsere Marke zu stärken oder laufen wir Gefahr es zu schwächen? Ob Line-Extender, PR-Maßnahme, Qualitäts- Auf- oder Abrüstung, Preisstruktur, Event etc. – der einzig relevante Parameter ist die Vertiefung und Stärkung des Vertrauens in die Markenleistung.
Die starke Marke profitiert vom „Guten Ruf“, vom Vertrauensvorschuss, der ihr vorauseilt. Neue Produkte starten nicht als anonyme Angebote, sondern werden von Tag eins an mit den Attributen ausgestattet, welche die Marke über die Zeit aufgebaut und durchgesetzt hat. Der Erklärungsaufwand wird für das Unternehmen erheblich geringer: Durchgesetzte Marken müssen nicht jedem potentiellen Neukunden erklären, warum z.B. ihre Leistung so billig oder so teuer ist. Neue Mitarbeiter sind unmittelbar Vertreter eines bestimmten Hauses und seiner Charakteristika. Das Vertrauen in die Marke überträgt sich automatisch auf sie. Das Beste: All diese Energien stehen dem Unternehmen kostenfrei zur Verfügung – Markenenergien sind allerdings nie über Nacht entstanden, sondern immer das Ergebnis konsequenter Handlungen über die Zeit. Daher besitzt jede Marke die Pflicht zur Kontinuität, um als Marke überhaupt erkennbar zu sein und es zu bleiben. Nur aus Konsequenz entsteht Prägnanz (und Vertrauen).
Die Marke als soziales Phänomen verstehen
Jede Marke ist ein soziales Phänomen, das betriebswirtschaftliche Auswirkungen hat. Es funktioniert nicht umgekehrt. Ein zutiefst soziales Phänomen im Mittelpunkt einer scheinbar zahlenhörigen Wirtschaftswelt, da muss es Probleme geben. Ob Aldi, Lidl oder Penny, ob Kneipe oder Fast-Food-Franchise: Keine Marke kann allein über betriebswirtschaftliche Kennziffern gelenkt werden.
Warum sind Menschen bereit, für eine Jeans 39,90 EUR auszugeben, für eine andere 139,90 EUR und ganz spezielle Menschen geben sogar 339,90 EUR für ein Denim-Beinkleid aus? Die Frage lässt sich rein betriebswirtschaftlich nicht beantworten. Die Antwort liegt allein in den jeweils drei unterschiedlichen Jeans-Marken begründet. Das bedeutet in Bezug auf wirksame Markenführung: Jede interne Entscheidung benötigt profunde Kenntnis des jeweiligen Markensystems. Es bedeutet Herausarbeitung der entscheidenden Vorgänge, welche die Marke einzigartig machen. Es bedeutet Orientierung an Fakten, die im Unternehmen und seiner Geschichte liegen. Wenn die Leistung einer Marke bestimmte Menschen zum Kauf anregt, müssen die Ursachen für den Kaufanreiz im Unternehmen liegen – und zwar nur dort. Ergo: Der erste analytische Blick muss nach innen gehen.
Niemals die Marke von ihrer Leistung trennen. Immer spezifisch sein.
Unbestritten können Marken Emotionen hervorrufen – allerdings basieren auch stärkste Marken-Emotionen immer auf einer spezifischen Marken-Leistung. Die Emotion, die ein Porsche innerhalb seiner Kundschaft hervorruft, basiert immer auf einer Ingenieursleistung, die vorab in Zuffenhausen erbracht wurde – wenn die Produkte nicht die erwartete Leistung „auf die Straße“ bringen, dann funktioniert es langfristig nicht mehr. Auch der größte Marken-Mythos fußt auf einer Leistung. In der Kommunikation wird dieses simple Ursache-Wirkungssystem gern auf den Kopf gestellt: Lachende attraktive und/oder prominente Menschen, süße Tierchen, Witze, grandiose Landschaften sollen grandiose Emotionen hervorrufen, tun sie vielleicht auch – nur leider nicht in Bezug auf das beworbene Produkt (meist wird es darüber gar nicht erinnert). Marke lebt im strikten Gegensatz zu abstrakten Emotionen allein von Spezifik. Denn Marke ist das Besondere. Immer. Nur durch diese Besonderheit(en) und Details ist sie überhaupt zur Marke geworden. Übrigens: Man kann nicht nicht Marke machen (frei nach Watzlawick). Viele ausgezeichnet eingeführte Marken besaßen noch nie eine Marketing- oder Branding-Abteilung: Diese Firmen fokussieren sich auf die kontinuierliche Perfektionierung und Fortentwicklung ihrer Kernleistung. Jede Marke ist das Ergebnis einer besonderen Dienst-oder Produktleistung, die über die Zeit erbracht wurde und erfolgreich eine wachsende Kundschaft dafür gefunden hat, die bereit ist, ihr Geld in die Leistung zu investieren, weil sie Vertrauen aufgebaut hat. Und das ist eine grandiose Leistung.